Vom Linienjet zum Technik-Demonstrator

Standort Fladungen (Rhön)

Damit die Idee des Upcyclings eines ausgedienten Flugzeugrumpfes nicht nur eine theoretische Spinnerei bleibt, begaben wir uns auf einen langen und nicht immer einfachen Weg – eine Mischung aus logistischer Meisterleistung, Geduldsspiel und Abenteuer.

 

Der begeisterte Tüftler und Erfinder Benedikt Schmidt verfügte aus vergangenen Projekten über ein hervorragendes Netzwerk in der Fliegerei- und Flugzeugrecyclingbranche. So war es nur eine Zeit- und Preisfrage, bis sich die Gelegenheit zum Kauf eines Airbus-Rumpfsegments bot.

 

Ende 2023 war es dann so weit: Wir erwarben einen Rumpfabschnitt eines Airbus A321, der jahrzehntelang im Dienst der ehemaligen Fluggesellschaft Alitalia stand – und in dieser Zeit nicht nur unzählige Passagiere, sondern sogar den Papst höchstpersönlich befördert haben soll. Ein Stück Fluggeschichte also, mit Heiligenschein und Patina. Die Kennung des Linienflugzeugs war I-BIXE, es war 1994 an Alitalia ausgliefert worden und wurde Ende 2014 außer Dienst gestellt. Dieses Heck-Segment ist außerdem Made in Germany: produziert wurde es bei Airbus in Hamburg.

 

Nach dem Kauf musste der Rumpfabschnitt zunächst zwischengelagert werden, bevor er im Sommer 2024 an seinen endgültigen Bestimmungsort gebracht werden konnte.

 

Die Logistik in Eigenregie erwies sich schnell als erste große Bewährungsprobe. Zwar lieferte der Verwerter das 4,2 Meter lange Segment in einem Stück von England nach Düsseldorf, doch für den Weitertransport auf einem Anhänger über die Autobahn und durch die Rhön mussten wir dem guten Stück sprichwörtlich „zu Leibe rücken“ – und es in zwei Hälften trennen.

Das Konzept

Das Konzept sieht vor, aus dem A321-Rumpfsegment eine außergewöhnliche Gartenhütte zu realisieren, die sämtliche relevanten Aspekte des Flugzeug-Upcyclings und der Nachhaltigkeit vereint. Dieses Pilotprojekt dient als Technik-Demonstrator, um grundlegende Fragen zu beantworten und Erfahrungen für künftige Umsetzungen zu sammeln.

 

Zentrale Fragestellungen:

  • Zersägen des Rumpfes:
    Wie und an welchen Stellen muss der Flugzeugrumpf getrennt werden – und welche Fachbetriebe können diese Arbeiten sicher durchführen?

  • Transport und Handling:
    Wie kann der Rumpf nach dem Zuschnitt effizient und sicher transportiert sowie am Zielort bewegt werden?

  • Fundament und Unterkonstruktion:
    Welche Auslegung ist erforderlich, um eine stabile Basis zu schaffen und gleichzeitig die Bodenversiegelung möglichst gering zu halten (z. B. durch Punktfundamente)?

  • Materialwiederverwendung:
    In welchem Umfang lassen sich Dämmmaterial, Verkleidungsteile, Leitungen und weitere Bauteile wiederverwenden oder in neuer Funktion nutzen?

  • Schnittstellen zur neuen Nutzung:
    Wie wird die Flugzeugstruktur mit Fassadenverkleidung, Türen, Balkon, Treppe, Geländer, Fenstern und Versorgungsöffnungen verbunden?

  • Dämmung und Energiestandard:
    Welche Dämmmethoden verhindern Wärmebrücken und ermöglichen – zumindest theoretisch – das Erreichen eines Passivhausstandards?

  • Raumaufteilung und Nutzung:
    Wie kann der begrenzte Innenraum funktional, komfortabel und zugleich originell gestaltet werden?

 

Upcycling im Innenraum
Der Upcycling-Gedanke wird konsequent auch im Inneren fortgeführt. Das Rumpfsegment soll mit einer originalen Bordküche sowie den originalen Wand- und Deckenverkleidungen ausgestattet werden. Zusätzlich ist die Installation einer originalen Airbus-Toilettenkabine vorgesehen, um gemeinsam mit unserem Sponsor ECOSHIT auf kleinstem Raum die Integration einer wasserlosen Trocken-Trenntoilette zu demonstrieren.

Vom Flugfeld ins Grüne – der Aufbau in Fladungen

Im Sommer 2024 wurde der Traum Wirklichkeit. Als Standort für das Gartenhäuschen fiel die Wahl auf ein sonniges Grundstück in einer ruhigen Wohn- und Feriensiedlung in Fladungen – mit weitem Blick über Felder und sanfte Hügel.

Zunächst wurde die Rasenfläche für das Bauvorhaben vorbereitet. An den exakt vermessenen Punkten entstanden sechs solide Punktfundamente aus Beton, die die gesamte Last des Rumpfes tragen sollten. Der Bereich unterhalb der Hütte wurde mit grobem Schotter aufgefüllt, um eine Versickerungsfläche zu schaffen. Auf eine Regenrinne und einen Kanalanschluss wird bewusst verzichtet – so bleibt der Eingriff in die Natur minimal und das Regenwasser kann direkt ins Erdreich versickern.

Für den Transport und das Platzieren der Rumpfsegmente auf die Unterkonstruktion kam schweres Gerät zum Einsatz. Dank der lokalen Unterstützung eines Landwirtes und zahlreichen tatkräftigen Helfern war es aber eine Kleinigkeit und in weniger als einer Stunde erledigt. Anschließend wurden beide Rumpfsegmente miteinander vernietet und auf der Unterkonstruktion verschraubt.

Da das Grundstück in Richtung Straße leicht abfällt, ergibt sich im Eingangsbereich eine Höhe der Unterkonstruktion von etwa einem Meter. Um den Zugang zur Gartenhütte komfortabel und sicher zu gestalten, steht die Balkenunterkonstruktion vorn über. Hier kann später eine kleine Terrasse mit Treppe montiert werden.

Die Rückseite des Rumpfsegments wurde passgenau mit robusten Nut- und Federbrettern verschlossen – wetterfest und optisch harmonisch zum Aluminium des Flugzeugkörpers. Natürlich zählt auch hier der Upcycling-Gedanke: Das Holz stammt aus dem Rückbau eines Getreidesilos und erhält hier ein zweites Leben.

An der Vorderseite entstand eine maßgefertigte Rahmenkonstruktion, in die eine doppelflügelige Glastür mit den Maßen rund 2 × 2 Meter eingesetzt wurde. Dadurch fällt reichlich Tageslicht in den Innenraum, und der Blick schweift ungehindert in die umgebende Landschaft. Wie auf jeder Baustelle ging es dabei zeitweise lebhaft zu – denn wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne.

Beim Bau legten wir besonderen Wert auf höchste Passgenauigkeit – denn das Flugzeugsegment besitzt weder rechte Winkel noch Standardmaße. Jede Holzlatte, jede Metallstütze und jede Verbindung wurde individuell angepasst, damit Flugzeugrumpf und neue Anbauteile am Ende wie aus einem Guss wirken.

Projekt-Abbruch und Abriss im Sommer 2025?

 

Im August 2025 erfolgte ein Beschluss der Stadt Fladungen, dass es sich bei der "Gartenhütte im Form eines A321 Flugzeugrumpfes" um einen Schwarzbau handle, der innerhalb von 3 Wochen zu beseitigen sei.

Leider entsprechen weder die Dachform, noch die Dacheindeckung dem etwa 60 Jahre alten Bebauungsplan. Ein Antrag auf Ausnahme wurde vom Stadtrat einstimmig abgelehnt. Nach unzählichen Gesprächen mit den verantwortlichen Stellen wurden Möglichkeiten diskutiert, das Bauwerk an den Bebauungsplan anzupassen - dazu zählt beispielsweise eine Änderung der Dachform (wie in dieser Illustration gezeigt), ein Dachbelag aus Faser-Wellbetonplatten oder Teerpappeschindeln. Diese Vorschläge sorgten für kontroverse Diskussionen. 

 

Nach einer Treffen mit dem Bürgermeister der Stadt Fladungen wurde angeboten, das Thema nochmal mit dem Stadtrat zu besprechen und Lösungsoptionen zu diskutieren. Letztlich entscheidet der politische Wille des Stadtrates der Stadt Fladungen, ob das Projekt an diesem Standort erwünscht ist oder umziehen muss.

 

Dazu der BR-Beitrag der Frankenschau am 25.09.2025 um 17:30 Uhr:

Ausblick auf den weiteren Projektverlauf

Der Technik-Demonstrator ist erst der Anfang. Im weiteren Verlauf des Projekts sollen zusätzliche Fragestellungen geklärt werden, die über den reinen Umbau hinausgehen. Ziel ist es, eine belastbare Grundlage für zukünftige Upcycling-Projekte dieser Art zu schaffen – sowohl in technischer als auch in organisatorischer Hinsicht.

Genehmigung & rechtlicher Rahmen

Das Projekt bewegt sich in einem Bereich, den es in dieser Form bisher kaum gab. Entsprechend fehlen auch den zuständigen Behörden oft konkrete Erfahrungen mit der Nutzung ehemaliger Flugzeugteile im Bauwesen. Gemeinsam mit unserem Architekten verfolgen wir daher einen pragmatischen Ansatz: Wir halten die gesetzlichen Mindestanforderungen ein, setzen auf sichere und geprüfte Bauweisen – und lassen uns von innovativen Ideen nicht ausbremsen. In manchen Fällen lautet die Empfehlung unseres Architekten schlicht: „Einfach machen!“ – und genau das tun wir, selbstverständlich mit Augenmaß und Verantwortung.

Statik & Sicherheit

Die Integrität des Rumpfes wird nach dem Zuschnitt erneut geprüft. Dabei geht es um die Tragfähigkeit der Struktur, insbesondere wenn zusätzliche Bauteile wie Balkon, Treppe oder Dachaufbauten montiert werden. Gleichzeitig wird ein Konzept für den langfristigen Korrosionsschutz entwickelt, um den Aluminiumrumpf dauerhaft vor Witterungseinflüssen zu schützen.

Wetter- & Langzeitschutz

Da Flugzeuge nicht für eine dauerhafte Nutzung am Boden konzipiert sind, müssen zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor Regen, Schnee, Wind und UV-Strahlung ergriffen werden. Ebenso wird ein Kondensations- und Feuchtigkeitsmanagement integriert, um Schimmelbildung zu verhindern und ein dauerhaft angenehmes Raumklima zu gewährleisten.

Energie & Versorgung

Für den Betrieb werden nachhaltige Energie- und Versorgungslösungen erprobt. Geplant ist unter anderem eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher, um den Energiebedarf autark zu decken. Die Bordküche erhält eine stromsparende Ausstattung, und die wasserlose Trocken-Trenntoilette wird als platzsparende, umweltfreundliche Sanitärlösung integriert.

Innenraumkomfort & Nutzererlebnis

Neben der Funktionalität spielt auch der Komfort eine zentrale Rolle. Dazu zählen eine effektive Belüftung, um sommerliche Überhitzung zu vermeiden, sowie schallabsorbierende Elemente zur Verbesserung der Akustik. Die Beleuchtung soll energieeffizient sein und sich harmonisch in die bestehende Flugzeugkabine einfügen.

Upcycling-Story & Öffentlichkeitsarbeit

Der Umbau wird lückenlos dokumentiert, um Wissen und Erfahrungen an andere Projekte weiterzugeben. Geplant sind Infotafeln und QR-Codes, die Besuchern Hintergrundinformationen zur Geschichte des Rumpfsegments – einschließlich seiner Zeit bei Alitalia und der Papstflüge – bieten. So wird die Gartenhütte zugleich zu einem erlebbaren Stück Luftfahrtgeschichte.

Zukunft & Skalierung

Langfristig wird geprüft, inwieweit sich das Konzept auf andere Flugzeugtypen oder Rumpfgrößen übertragen lässt. Dazu gehört auch eine Wirtschaftlichkeitsanalyse für den möglichen Nachbau. Ziel ist es, ein Vorbild für nachhaltige und kreative Nutzungen von ausgemusterten Flugzeugen zu schaffen und damit einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft in der Luftfahrt zu leisten.